Sterben und Tod ist ein Thema, das uns in unserer täglichen Arbeit in der Schweiz wie auch hier in Kamerun fast täglich begegnet. Die Überschrift „andere Länder, andere Sitten“ wäre auch in diesem Zusammenhang passend, denn der Umgang mit dem Thema ist tatsächlich anders…
Äusserst befremdlich ist, dass über den bevorstehenden Tod oder eine terminale Krankheit GAR NICHT gesprochen wird. Als sich eine HIV-Patientin mit AIDS im Endstadium in einem sehr schlechten Allgemeinzustand aufgrund massiver Übelkeit und Kraftlosigkeit weigerte zu essen, wurde sie von ihrer Mutter und der zufällig vorbeikommenden Laborantin in meinen Augen ziemlich hart zurechtgestutzt und regelrecht zum Essen gezwungen. Sie wurde mehrfach gefragt, ob sie leben oder sterben wolle und dass sie nun Essen und Trinken MÜSSE. Sie solle der Mutter nicht so viel Sorgen bereiten, sich zusammenreissen und nun endlich den Mund aufmachen, etc… Um den Worten mehr Nachdruck zu verleihen, wurde mit dem Stauschlauch (für Blutabnahmen) mehrfach auf das Bett geschlagen. Drei Stunden später verstarb die Patientin schliesslich wie erwartet.
Anfangs war es für mich unverständlich, dass Angehörige die Patienten in einem sehr schlechten, bzw. regelrecht terminalen Zustand mit nach Hause nehmen möchten. Dies hat jedoch erst auf den zweiten Blick verständliche logistische und vor allem finanzielle Hintergründe.
Die Möglichkeit der Aufbewahrung eines verstorbenen Körpers ist in Kamerun seit der Ebola-Epidemie stark eingeschränkt worden. Ein Verstorbener darf ungekühlt nicht länger als einen Tag (24h) aufbewahrt werden. Kühlhäuser (Mortuary) für Verstorbene gibt es zum Beispiel in Nguti (20 Autominuten) oder in Kumba (1h Autofahrt), nicht jedoch in Manyemen. In einer Mortuary können die Verstorbenen auch mehrere Monate aufbewahrt werden, dies ist lediglich eine finanzielle Frage. Der Transport von verstorbenen Personen ist hier nicht speziell geregelt, jedoch muss der Fahrer informiert sein, dass er eine verstorbene Person transportiert. Der Preis für die Fahrt steigt auf diese Information hin deutlich. Ein noch lebender Patient könnte aber viel preiswerter auf einem Motorrad statt teuer in einem Auto, das normalerweise bis zu acht Fahrgäste mitnimmt, transportiert werden.
Im Spital haben wir eine kleine ungekühlte Mortuary. Patienten, die bei uns im Spital versterben, werden dort hingebracht und bis zu 24h aufbewahrt. Der Körper wird den Angehörigen erst übergeben, wenn die Spitalrechnung komplett beglichen ist. Was geschieht, wenn dies nicht innerhalb der Frist von 24h passiert, weiss ich (leider) nicht. Dies ist bisher nie eingetreten. Die Angehörigen scheinen in diesem Falle die entsprechenden finanziellen Mittel aus eigenem Interesse viel rascher auftreiben zu können als für lebende Patienten.