B-Ware in der „Entwicklungshilfe“

Ein zwar menschenverachtend veraltetes aber leider noch immer häufig angewandtes System der „Entwicklungshilfe“ ist, Dinge die man nicht mehr braucht, nach Afrika zu schicken statt sie fachgerecht zu entsorgen. Frei nach dem Motto, hier ist es zwar Abfall, aber DIE DORT freuen sich ja. Man gewinnt doppelt, zum einen kann man stolz auf sich selbst sein (natürlich redet man auch viel über die „gute Tat“), zum anderen spart man sich die Entsorgungskosten. Noch billiger kann man die Welt nun wirklich nicht retten.

Daran, dass man mit Elektroschrott unter einfachen Bedingungen, ohne Reparaturhandbuch, ohne Know-How und am besten auch noch ohne Anschlusskabel, rein garnichts anfangen kann, verschwendet man keinen müden Gedanken.

Ganz vegleichbar ist die Situation einer Operationsschere, die in Europa ausgemustert wird, weil sie verbogen ist und nicht mehr schneidet. Sinnvoll geschliffen werden kann sie in diesem Falle auch nicht mehr, da sich die Klingen garnicht berühren. Sie ist schlicht und ergreifend defekt. Woher kommt wohl der Gedanke, dass diese Schere in einem afrikanischen Bauch besser angewendet werden könnte als in einem europäischen?

Im Operationssaal hatte ich neulich grössere Schwierigkeiten, mir die sterilen Handschuhe anzuziehen. Irgendwie habe ich es einfach nicht geschafft, die jeweiligen Finger in die richtigen Öffnungen hineinzuschieben. Und dann war auch noch der Daumen auf der falschen Seite. Diese Situation rief Erinnerungen an mein Studium und an die ersten derartigen Versuche wach. Hinzu kam, dass ich mich gefragt habe, was die wache Patientin (Rückenmarks-Anästhesie), die gerade in meine Richtung schaute, sich dabei wohl denken würde. „Handschuhe anziehen kann er nicht, aber gleich soll er mich operieren. Klasse!“ Als sich dann der linke Handschuh gerade komplett auflöste wurde mein Weltschmerz vom Gelächter der OP-Schwester unterbrochen, die mir erklärte: „Nimm neue Handschuhe Doc, ist mir vorhin auch passiert. Die liegen falschrum in der Verpackung! Der ganze Karton ist so. Kommt aus Europa.“

Gegen Ende der Operation (auf die besagte Schere während der Operation war ich ja weiter oben bereits eingegangen) bekam ich dann einen schönen Nylon-Faden (2-0) mit entsprechend solider Nadel. Es gelang mir aber partout nicht, diese Nadel durch das Bauchgewebe zu stechen. Erst mit maximalem Kraftaufwand ging es dann endlich, sie war wirklich komplett stumpf. Am anderen Ende kam aber nur noch die Nadel heraus, der Faden war schon lange abgerissen. Auf mein Unverständnis hin wurde mir erklärt: „Das ist made in Germany, was hast Du erwartet?“

Da mich diese Aussage, die nicht als Insult gemeint gewesen war, doch etwas überraschte, ging ich der Sache nach. Nach der Besprechung mit dem Apotheker, der für die Bestellung, Beschaffung und Lagerung des kompletten Materials verantwortlich ist, leuchtete mir die ganze Geschichte schon besser ein.

Produkte, die aus Europa hier her kommen, sind praktisch ausnahmslos „Spenden“ und oft Abfall, den man dort nicht mehr haben wollte. Gute Qualität kommt hier praktisch ausnahmslos aus Indien.